Einkaufswahn in Frankfurts MyZeil

Ende Februar eröffnete in Frankfurts Innenstadt das neue Einkaufszentrum mit dem Namen ‘MyZeil’. Aufgrund eines unglaublichen Besucheransturms zur Eröffnung beschloss ich meinen Erstbesuch einige Wochen zurückzustellen und mir die Sache an einem etwas ruhigeren Wochentag, ein bißchen später, anzuschauen.

Schafe

Als wir am Eröffnungswochenende über die Zeil gingen (oder eher geschoben wurden), konnte einem die Lust schnell vergehen. MyZeilGlasSchlauchDie Menschenmassen die sich, unter Lautsprecherdurchsagen der Polizei, nur in reglementierten Gruppengrößen in das Gebäude begeben durften und sich wie Schafsherden gegenseitig weiterschoben, ließen uns wenig Lust verspüren dabei mitzumachen. Man mußte den Eindruck gewinnen, das es hier irgendwo geschnitten Brot umsonst gibt. So wurde der Besuch erstmal vertagt.

etwas später

Mittlerweile stand der Glas-  & Betonbau etwa einen Monat auf der Zeil, die übrigens Deutschlands umsatzstärkste Einkaufsstraße ist, also wurde es Zeit: An einem, für mich arbeitsfreien, Freitag zum frühen Nachmittag bin ich also dort hingefahren und habe mich umgesehen.

Architektur & Bau

Der Bau ist an sich erstmal beeindruckend. Von außen noch nicht so sehr wie von innen, aber der italienische Architekt Massimiliano Fuksas hat in jedem Fall ein sehr sehenswertes Gebäude entworfen.

myzeilausen

Foto: fabi_k, unter cc-Lizenz.

Nach außen, zur Zeil hin hat das Gebäude eine Front aus Glas, in die sich trichterförmig eine Öffnung ‘hineinbohrt’, diese wird im Inneren zu einem trichterförmigen Glasschlauch, der sich durch alle Etagen zieht. Sehr beeindruckend anzuschauen und, speziell wenn die Sonne scheint, vom Lichtspiel sehr hübsch. Insgesamt ist der Komplex erheblich größer als er auf den ersten Blick von außen wirkt. Für die Verkaufsfläche stehen 5 Obergeschosse und eine Kelleretage zur Verfügung, insgesamt bietet MyZeil mit  77.000m² Verkaufsfläche etwas weniger Platz als z.B. Frankfurts Nordwestzentrum (Deutschlands größtes Einkaufszentrum mit 90.000m² Verkaufsfläche).

Hat man sich durch den viel zu engen Eingangsbereich mal ins Innere begeben so erwartet einen als erstes die längste freitragende Rolltreppe Europas. MyZeilRolltreppeHier geht es non-stop, aber recht langsam, 46m weit, hinauf ins oberste Stockwerk. Leider nur eine Richtung, sodass man sich (sicher nicht ganz unbeabsichtigt) auf anderem Wege (und vorbei an den Geschäften) wieder nach unten vorarbeiten muss darf.

Fertig?

Das bringt mich zu den nicht ganz so positiven Dingen die einem so auffallen konnten. Zum einen sind noch lange nicht alle Läden die darin vermietet sind, auch bereits zur Eröffnung offen gewesen. Zum anderen scheint auch der Bau selbst nicht ganz termingerecht fertig gewesen zu sein.

So fallen einem unweigerlich dutzende Kleinigkeiten ins Auge, wenn man nicht gerade im Schafsherdenshoppingmodus ist. Da ist zum einen der Fußboden, der bereits 2 Wochen nach der Eröffnung aussieht als sei er zig Jahre alt, da sind Kabelenden die neben dem Handtuchhalter am Waschbecken der Herrentoilette aus der Wand gucken und wohl darauf warten, dass die zugehörige Steckdose erst noch folgt. Da sind in den weißen Wänden verputzte Stellen bei denen wohl nochmal hätte übergestrichen werden sollen, aber eben nicht wurde – so sind da jetzt zahllose graue Kleckse die so sicher nicht beabsichtigt waren. Loch in der WandIn einer Etage hat der Fußboden einen langen Riss und war teilweise regelrecht zerbröselt, ganz als ob hier etwas schweres auf die Fliese fallen gelassen wurde. So etwas passiert bei einem Einzug dieser Dimension sicher schnell, aber es passt dennoch nur allzu gut zu dem Gesamtbild das sich mir bot. Im Saturn-Markt steht in der Abteilung für Flachbildfernseher (und vielen anderen Orten des Gebäudes) ein Eimer im Gang und von oben tropft es fröhlich in Selbigen. Es mag es die Decke sein, die Klimaanlage oder sonstwas – ich konnte es nicht ergründen. Ein Blick nach oben an anderer Stelle und ich hatte das Gefühl, das die Löcher für die Sprinkleranlagenauslässe sicher auch noch hätten verkleidet werden sollen.

An vielen Stellen scheint einfach keine Zeit mehr geblieben zu sein für “die Liebe zum Detail”. Schilder die das Treppenhaus, oder die Toiletten ausschildern sollen und aus laminiertem A4-Papier gemacht sind, dass mit Klebeband an Türen und Pfosten klebt, sind einfach nicht mit meinem Verständnis eines neuen Shoppingtempels der Extraklasse unter einen Hut zu kriegen.
Ob man gleich soweit gehen muss hier von Baumängel zu sprechen, weiß ich nicht aber es macht vielmehr den Eindruck, dass hier der Zeitplan gegen Ende nicht zu halten war. Als Einwohner Frankfurts konnte einem das auch schon vorher von außen und mit dem Blick eines Laien auffallen: So stand ich etwa 14 Tage vor der Eröffnung mit meinem Bruder vor dem Bau und wir sahen das Plakat mit dem avisierten Eröffnungsdatum — wir haben uns angesichts des bloßen Außenanblicks, zu diesem Zeitpunkt, angesehen und meinten beide: “Na, dass warten wir doch mal ab.”

Wohlgemerkt diese Eindrücke galten für die Zeit etwa 3-4 Wochen nach der Ersteröffnung. Die Bauarbeiter werden unterm Radar (und vielleicht manchmal auch auf dem Radar) der Kunden, den Rest fertigstellen und es wird sich später kaum noch jemand daran erinnern. Den ersten Test bei mir hat es jedoch nicht bestanden.

Geschäfte

Bleibt natürlich die Frage nach den Geschäften: Was kann man hier kaufen, das es nicht ohnehin schon direkt um die Ecke gab?
Die großen Mieter ganz unten und fast ganz oben sind ReWe und Saturn, also hier nicht viel Neues. Saturn war vorher auf der anderen Straßenseite angesiedelt und hat sich einfach verlagert, ähnlich wie zum Beispiel das Modelabel promod und ein Fitnesscenter. In MyZeil ist z.B. Saturn jetzt sicherlich besser aufgehoben und vor allem größer (so zumindest mein Eindruck). Angesichts der Tatsache, dass es aber in Frankfurt noch mindestens einen weiteren Saturn und auch noch Mediamärkte etc. gibt, nicht unbedingt ein Alleinstellungsmerkmal für MyZeil.

Die restliche Ladenfläche teilen sich viele kleinere Geschäfte, Cafés, Restaurants, etc. und ein ‘Kinderparadies’ unterm Dach. Der Focus bei den Läden scheint sehr auf Mode zu liegen, auch wenn für uns Geeks ein Re:Store (Apple-Reseller) als kleines Schmankerl dabei ist. Des weiteren gibt es viele Modemarken, darunter Quiksilver und Bench die bislang keine eigenen Vertretungen in Frankfurt hatten.

Auswirkung

Ohne aus wirklichen Zahlenquellen der umliegenden Geschäfte lesen zu können, ist mein persönlicher Eindruck, dass zumindest in den ersten Wochen und Monaten die Auswirkungen der Neueröffnung in den angrenzenden Läden zu spüren sind. Zumindest für mich als Kunde. Meine Besuche auf der Zeil, abseits der neuen MyZeil waren deutlich weniger von shoppenden Massen geprägt als noch zuvor.  Der Effekt wird sich sicher wieder beruhigen, wenn die erste Begeisterung dann einem einigermaßen normalen Konsumverhalten weicht und alles sich alles wieder normalisiert hat. Der Betreiber soll zur Eröffnung gesagt haben das es ‘Krise hier nicht geben wird’, die Zeit wird zeigen, ob das so ist.

On this day..

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