Das Thema Netzsperren, Sperrung von kinderpornographischem Material oder im Web kurz und kackig unter dem Sammelbegriff Zensursula ((ein Kunstwort aus Zensur und dem Namen der maßgeblich federführenden Ministerin Ursula von der Leyen)) zusammengefasst, tobt nun schon seit über 2 Monaten in Deutschland, aber leider nach wie vor fast ausschließlich im Netz.
Kritik auch aus den eigenen Reihen
Heute nun will der Bundestag das Gesetz, übereilt wie ich finde, noch vor der Sommerpause durchboxen – trotz heftigster Widerstände aus allerlei Richtungen. Darunter auch aus den eigenen Reihen – hier in Hessen z.B. ganz prominent Thorsten Schäfer-Gümbel, der noch in letzter Minute (erfolglos) mit einem Aufruf versuchte die SPD-Fraktion umzustimmen. Vor dem Brandenburger Tor gab es dazu heute in Berlin eine Sperrwache an der sich nicht nur normale Demonstranten aus der Webszene einfanden, sondern auch Politiker z.B. von den Grünen. Als die SPD-Basis beim letzten Bundesparteitag noch einen Antrag einbrachte, der erreichen wollte daß sich die Fraktion doch noch entschließt gegen das Gesetz zu stimmen, wurde dieser Antrag nicht einmal besprochen sondern ohne Debatte abgelehnt (siehe auch: offener Brief des Onlinebeirats der SPD).
Sperrwache am Brandenburger Tor
Foto unter cc von euphoriefetzen
Dennoch rumort es in der Basis und heute wurde, sozusagen als Spitze des Eisbergs, ein offener Brief an die Genossen von Torben Friedrich (einem jungen, engagierten Bald Ex-SPD-Mitglied) bekannt, der wohl mit recht baldiger Wirkung die SPD verlassen wird – genau wegen dieses Themas.
Überwacher wider Willen
Selbst der Bundesdatenschutzbeauftragte, Peter Schaar, dem jetzt die Überwachung der Sperrlisten “aufs Auge gedrückt” werden soll, würde sich am liebsten querstellen, hat aber natürlich in seiner Stellung wenig Handhabe – dazu war er bei Spiegel Online im Interview. Eine hervorragende Übersicht über die Anträge die heute noch gestellt werden, den Gesetzesentwurf selbst und massig weiteres Material hat der AK-Zensur im Artikel “Das Gesetz und die Kritik” gerade eben zusammengestellt.
Ohnmacht einer Generation
Als durchschnittlich politikinteressierter Mensch, einer Generation die man gemeinhin als digital natives bezeichnet, wühlt mich diese Debatte seit langem mal wieder so auf, wie es zuletzt vielleicht der Mauerfall im positiven Sinne geschafft hatte. Dies schient nicht nur mir so zu gehen, wer dieser Tage mit offenen Augen durch unsere Social Media wandert dem begegnen Artikel noch und nöcher die mir aus Seele sprechen. Allen voran Anke Gröners Artikel heute morgen.
Leider findet sich auch sowas hier, das mich sprachlos wütend werden lässt – darauf habe ich als Reaktion einen Brief an die Autoren verfasst mit der Bitte, diverse Haltungen die darin angedeutet werden zu erläutern: Dieser blieb bislang unbeantwortet.
Wäre ich heute in Berlin gewesen, ich hätte mit am Brandenburger Tor gestanden, da ich aber in Frankfurt bin werd ich am Samstag den 20.06.09 zu der hiesigen Demonstration zum Thema gehen. Organisiert wird diese durch die Piratenpartei, näheres dazu findet Ihr hier.
Die große Koalition ist gerade dabei massiv die junge Generation der netzaffinen Menschen zu verlieren, nicht nur ein bißchen, sondern komplett. Die CDU/CSU sowieso, aber auch die SPD wird für ein solches Gesetzgebungsverfahren für mich, aber eben auch für viele andere meiner Generation, faktisch unwählbar. Wenn die etablierten Medien etwas früher reagiert hätten, oder endlich auch auf Ihren Titelseiten eingehender berichten würden, so müsste selbiges an sich noch für viel mehr demographische Gruppen gelten.
Es kann nicht angehen das unsere großen “Volksparteien” ein ums andere Mal, Gesetze beschließen die ganz offensichtlich grundgesetzwidrig sind und wir in unserem Land das Bundesverfassungsgericht als letzte Instanz der Vernuft immer öfter dringend brauchen. Man fragt sich welches Gedankengut einige unserer Politiker umtreibt, die zu solcherlei Aussetzer führen.
weitere Informationen
Wer nochmal komplett nachlesen will, warum wir dagegen sind, kann das bspw. beim ennomanen tun. Oder man liest sich den Artikel Von Zensur und der Gesellschaft bei Wikileaks durch ((na hoffentlich werd ich dann jetzt für den Link zu wikileaks nicht auch gleich gesperrt)). Außerdem bietet sich ein querlesen von Foebud, über mogis und netzpolitik.org bis nicht zuletzt dem AK Zensur an.
über 130.000 Stimmen, aber dazu später
Die erfolgreichste e-Petition die es bislang gab, die sich gegen dieses Gesetz aussprach und von über 130.000 Bürgern namentlich unterzeichnet wurde (ich unterzeichnete selbst sehr früh, unter den ersten 600), wird dann im Petitionsauschuss noch zu einer Anhörung führen – aber natürlich erst nach der Wahl, nach der Sommerpause – irgendwann im September. Auch wenn die Grundsätze des Petitionsausschusses anderes möglich gemacht hätten, ja hätten machen müssen.
7.13.2 Vorschläge für vorläufige Regelungen
Bei bevorstehendem Vollzug einer beanstandeten Maßnahme kann insbesondere vorgeschlagen werden, die Bundesregierung oder die sonst zuständige Stelle (Nr. 5) zu ersuchen, den Vollzug der Maßnahme auszusetzen, bis der Petitionsausschuss über die Beschwerde entschieden hat.