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Löschen statt Sperren Demo in Frankfurt

Nachdem die Bundesregierung, wie leider erwartet, am Donnerstag den 18.06.2009 das so genannte Zugangserschwerungsgesetz mit Stimmen der großen Koalition beschlossen hat gingen am letzten Samstag in ganz Deutschland die Menschen auf die Straße. Berichte aus Berlin, Hamburg, München, Düsseldorf und eben auch nicht zuletzt Frankfurt waren das ganze Wochenende in der hiesigen Blogosphäre zu lesen. Hier kurz meine Eindrücke und einige Bilder von der Frankfurter Demo gegen die Netzsperren.

Auftakt

Es begann am Paulsplatz gegen 11:30 Uhr wo ein Stand der Priatenpartei Infomaterial anbot. Es versammelten sich auf dem weitläufigen Platz relativ schnell etwa 200 Leute und etwas nach 12 Uhr wurde eine kleine Empore aufgebaut von der der erste Redner seine Ansprache hielt.

Redner

Der erste Redner war von der Humanistische Union und obwohl ich ihm keinerlei böse Absicht unterstellen möchte, so muß ich seine Ansprache doch aufs schärfste kritisieren. Im Laufe seiner etwas holprigen Rede verstieg er sich zusehends in Themen wie harmlose Fotos von Kindern beim FKK und fabulierte in fast fahrlässiger Weise darüber, dass man dann auch “alle Marienstatuen verhängen” müsse, da diese ein nacktes Jesuskind zeigten.
Er erwähnte dabei “dass da schonmal ein FKK-Verein Probleme bekommen hat” – das mag sein, allerdings war es in der holprigen und fahrlässigen Art und speziell in Verbindung mit unserem Anliegen ein extrem dünnes Eis auf dem er da wandelte.
Genau wegen solcher Anwandlungen wird es Politikern und anderen Befürwortern der Netzsperren leichter gelingen das Anliegen der Piratenpartei und der restlichen Zensurgegner (die aus allen Bevölkerungschichten stammen wie man auch auf der Demo sehen konnte) in eine pädophile Ecke abzuschieben und uns in einer Weise zu diskreditieren die wir mit Sicherheit nicht wollen.
Seine Argumentation war in der Richtung außerdem überhaupt nicht zielführend – es steht überhaupt nicht auf unserer Agenda zu beurteilen was eine “harmlose Abbildung” eines nackten Kindes ist, und was nicht. Der dringend notwendige Kampf gegen den dokumentierten (und natürlich auch gegen den undokumentierten) Kindesmißbrauch stand und steht für alle Demonstranten außer Frage. Es geht uns mit Sicherheit auch nicht um eine Differenzierung des Begriffs Kinderpornographie oder Ihrer Verfolgung, sondern einzig und allein um die ungeeigneten und gefährlichen Mittel mit denen unsere Bundesregierung diesen Kampf (oder einen gänzlich anderen) jetzt und in Zukunft führen will. Die weiteren Redner des Tages die dann z.B. auch an der Hauptwache (Frankfurts wichtigstem Platz in der Innenstadt) sprachen, hatten das Ziel glücklicherweise besser vor Augen. Trotzdem war bei dem einen oder anderen zu bemerken, dass Reden halten nicht Ihre Hauptberufung ist – das ist aber bei so einer spontan organisierten Demonstration leicht zu verzeihen. Auch von den beiden Schlußrednern fühlte ich mich besser verstanden und vor allem das Anliegen der Bewegung angemessen repräsentiert. Der letzte Redner war dabei das Highlight der Veranstaltung.

Der Zug durch die Stadt

Der Weg durch die Stadt führte auf einer sehr brauchbaren Route über die wichtigsten Straßen und Plätze Frankfurts, sodass einige im samstäglichen Einkaufsbummelwahn verhaftete Bürger unsere Transparente gesehen haben dürften.
Die Route kreuzte sowohl die Zeil, als auch die Freßgass, querte den Börsen– und Goetheplatz und nahm über die Hauptwache ((hier war gerade ein Festlichkeit mit dem Thema “Thailand” im Gange, sodass hier eine Menge Leute Notiz von der Demo nahmen)) Ihren Weg zurück zum Paulsplatz. Am Rande der Demostration entwickelten sich diverse Gespräche, auch mit teilweise sehr aufgeschlossenen, aber auch kritisch nachfragenden Passanten. Mittlerweile war die Gruppe auf geschätzte 300+ Leute ((meine Schätzung)) angewachsen.

Die Ironie der Location

Für die kurze Zeit die für die Organisation der Demonstration zur Verfügung stand, kann ich nur resümieren, dass sie gut gelungen ist. Auch wenn die Technik bei den Reden gelegentlich mal nicht mitspielen wollte, so bleib doch scheinbar genug Zeit z.B. den Ort sehr clever auszuwählen. Auftakt und Endpunkt der Demonstration war, wie bereits erwähnt, der Paulsplatz.
Jener Platz in Frankfurt der die Paulskirche beherbergt, in welcher 1848-49 die Frankfurter Nationalversammlung tagte und die auf parlamentarisch, demokratischen Prinzipien beruhende so genannte Paulskirchenverfassung erarbeitete. Größere Teile dieser Verfassung standen u.a. Pate für unsere heutige Verfassung, unser Grundgesetz.
…und da stehen wir also, auf dem Paulsplatz, mit Plakaten die einer Todesanzeige nachempfunden sind und die Beerdigung von Aritkel 5 unseres Grundgesetzes auf den 18.06.2009 datieren.

nochmal zum nachlesen:

Artikel 5
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Das weitere dazu wird hoffentlich das Bundesverfassungsgericht klarstellen, aber die Reaktionen auf den Beschluss und die Berichte von den Demos im Netz und anderswo sind doch hochinteressant. So trat am Samstag nicht nur Jörg Tauss aus der SPD aus und in die Piratenpartei ein, nein auch weniger umstrittende SPD-Mitglieder zogen mit und gaben Ihr Parteibuch zurück. Ich hab das Gefühl in der Blogosspähre findet gerade eine Politisierung statt wie ich sie noch selten nie erlebt habe.

Nachtrag:

Selbst bei den Grünen gibt es auch schon Austritte in Zusammenhang mit dem o.g. Thema.

Zensur schon wieder..

Das Thema Netzsperren, Sperrung von kinderpornographischem Material oder im Web kurz und kackig unter dem Sammelbegriff Zensursula ((ein Kunstwort aus Zensur und dem Namen der maßgeblich federführenden Ministerin Ursula von der Leyen)) zusammengefasst, tobt nun schon seit über 2 Monaten in Deutschland, aber leider nach wie vor fast ausschließlich im Netz.

Kritik auch aus den eigenen Reihen

Heute nun will der Bundestag das Gesetz, übereilt wie ich finde, noch vor der Sommerpause durchboxen – trotz heftigster Widerstände aus allerlei Richtungen. Darunter auch aus den eigenen Reihen – hier in Hessen z.B. ganz prominent Thorsten Schäfer-Gümbel, der noch in letzter Minute (erfolglos) mit einem Aufruf versuchte die SPD-Fraktion umzustimmen. Vor dem Brandenburger Tor gab es dazu heute in Berlin eine Sperrwache an der sich nicht nur normale Demonstranten aus der Webszene einfanden, sondern auch Politiker z.B. von den Grünen. Als die SPD-Basis beim letzten Bundesparteitag noch einen Antrag einbrachte, der erreichen wollte daß sich die Fraktion doch noch entschließt gegen das Gesetz zu stimmen, wurde dieser Antrag nicht einmal besprochen sondern ohne Debatte abgelehnt (siehe auch: offener Brief des Onlinebeirats der SPD).

Sperrwache am Brandenburger Tor
Sperrwache am Brandenburger Tor
Foto unter cc von euphoriefetzen

Dennoch rumort es in der Basis und heute wurde, sozusagen als Spitze des Eisbergs, ein offener Brief an die Genossen von Torben Friedrich (einem jungen, engagierten Bald Ex-SPD-Mitglied) bekannt, der wohl mit recht baldiger Wirkung die SPD verlassen wird – genau wegen dieses Themas.

Überwacher wider Willen

Selbst der Bundesdatenschutzbeauftragte, Peter Schaar, dem jetzt die Überwachung der Sperrlisten “aufs Auge gedrückt” werden soll, würde sich am liebsten querstellen, hat aber natürlich in seiner Stellung wenig Handhabe – dazu war er bei Spiegel Online im Interview. Eine hervorragende Übersicht über die Anträge die heute noch gestellt werden, den Gesetzesentwurf selbst und massig weiteres Material hat der AK-Zensur im Artikel “Das Gesetz und die Kritik” gerade eben zusammengestellt.

Ohnmacht einer Generation

Als durchschnittlich politikinteressierter Mensch, einer Generation die man gemeinhin als digital natives bezeichnet, wühlt mich diese Debatte seit langem mal wieder so auf, wie es zuletzt vielleicht der Mauerfall im positiven Sinne geschafft hatte. Dies schient nicht nur mir so zu gehen, wer dieser Tage mit offenen Augen durch unsere Social Media wandert dem begegnen Artikel noch und nöcher die mir aus Seele sprechen. Allen voran Anke Gröners Artikel heute morgen.
Leider findet sich auch sowas hier, das mich sprachlos wütend werden lässt – darauf habe ich als Reaktion einen Brief an die Autoren verfasst mit der Bitte, diverse Haltungen die darin angedeutet werden zu erläutern: Dieser blieb bislang unbeantwortet.
Wäre ich heute in Berlin gewesen, ich hätte mit am Brandenburger Tor gestanden, da ich aber in Frankfurt bin werd ich am Samstag den 20.06.09 zu der hiesigen Demonstration zum Thema gehen. Organisiert wird diese durch die Piratenpartei, näheres dazu findet Ihr hier.

Die große Koalition ist gerade dabei massiv die junge Generation der netzaffinen Menschen zu verlieren, nicht nur ein bißchen, sondern komplett. Die CDU/CSU sowieso, aber auch die SPD wird für ein solches Gesetzgebungsverfahren für mich, aber eben auch für viele andere meiner Generation, faktisch unwählbar. Wenn die etablierten Medien etwas früher reagiert hätten, oder endlich auch auf Ihren Titelseiten eingehender berichten würden, so müsste selbiges an sich noch für viel mehr demographische Gruppen gelten.
Es kann nicht angehen das unsere großen “Volksparteien” ein ums andere Mal, Gesetze beschließen die ganz offensichtlich grundgesetzwidrig sind und wir in unserem Land das Bundesverfassungsgericht als letzte Instanz der Vernuft immer öfter dringend brauchen. Man fragt sich welches Gedankengut einige unserer Politiker umtreibt, die zu solcherlei Aussetzer führen.

weitere Informationen

Wer nochmal komplett nachlesen will, warum wir dagegen sind, kann das bspw. beim ennomanen tun. Oder man liest sich den Artikel Von Zensur und der Gesellschaft bei Wikileaks durch ((na hoffentlich werd ich dann jetzt für den Link zu wikileaks nicht auch gleich gesperrt)). Außerdem bietet sich ein querlesen von Foebud, über mogis und netzpolitik.org bis nicht zuletzt dem AK Zensur an.

über 130.000 Stimmen, aber dazu später

Die erfolgreichste e-Petition die es bislang gab, die sich gegen dieses Gesetz aussprach und von über 130.000 Bürgern namentlich unterzeichnet wurde (ich unterzeichnete selbst sehr früh, unter den ersten 600), wird dann im Petitionsauschuss noch zu einer Anhörung führen – aber natürlich erst nach der Wahl, nach der Sommerpause – irgendwann im September. Auch wenn die Grundsätze des Petitionsausschusses anderes möglich gemacht hätten, ja hätten machen müssen.

7.13.2 Vorschläge für vorläufige Regelungen

Bei bevorstehendem Vollzug einer beanstandeten Maßnahme kann insbesondere vorgeschlagen werden, die Bundesregierung oder die sonst zuständige Stelle (Nr. 5) zu ersuchen, den Vollzug der Maßnahme auszusetzen, bis der Petitionsausschuss über die Beschwerde entschieden hat.